Das Vorleben der Delfine

Ein Roman von Kirmen Uribe

Kirmen Uribe ist 1970 in Onderroa, Bizkaia geboren. Er ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Spaniens und Träger des Premio Nacional de Literatura. Er schreibt seine Werke auf baskisch bzw. baskisch und spanisch gleichzeitig, wie er auf der Veranstaltung erzählte, zu der ich gleich noch komme. Seine Texte wurden in über 20 Sprachen übersetzt und erschienen z.B. im New Yorker. 2018 – 2019 hatte es ein Stipendium der New York Public Library, aus dem dann auch „Das Vorleben der Delfine“ hervorging. Uribe lebt mit seiner Familie in New York.

Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie von Kirmen Uribe gehört, bis wir neulich eine Anfrage für einen Büchertisch hatten. „Der baskische Autor liest im Instituto Cervantes, würden Sie den Büchertisch machen?“ Dieses Institut befindet sich im Chilehaus und da ich immer neugierig bin und Lust habe an Orte zu gehen, wo ich noch nicht war, sagten wir zu. Die Veranstaltung war eher mittelgut besucht und ausser weniger deutscher Zusammenfassungen des österreichischen Übersetzers fast nur auf spanisch. Dennoch war ich fasziniert. Zum einen war der Autor unglaublich sympathisch und dann hatte mich die thematische Mischung des Buchs aus New York, dem Leben und Wirken Rosika Schwimmers, den persönlichen Briefen und Gedanken Uribes Frau und den vielen Bezügen zum Baskenland und der ungewöhnlichen baskischen Sprache sofort.

(Baskisch ist eine uralte Sprache, die isoliert ist in Europa, also die einzige Sprache, die zu keiner der gewöhnlichen Sprachfamilien (Indogermanisch, Uralisch usw) gehört, und ihr Gebrauch war unter Franco verboten.)

Doch nun von vorne. Kirmen Uribe stieß bei seinem Aufenthalt im Archiv der Public Library, für den er ein Stipendium hatte, auf 120 Kisten voller Material zum Leben Rosika Schwimmers. Schwimmer war eine Jüdin aus Ungarn, sie war Feministin und vor allem Pazifistin und floh 1915 in die Vereinigten Staaten. Aufgrund ihrer Pazifistischen Einstellung erhielt sie allerdings nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft, was für ihr späteres Leben Folgen hatte. Sie war unglaublich aktiv und umtriebig, unter anderem war sie schockiert von den Berichten aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs und wollte unbedingt einen Beitrag leisten, diesen zu beenden. Sie sprach mit dem amerikanischen Präsidenten (Woodrow Wilson) und sammelte Spenden und es gelang ihr mit Hilfe von Henry Ford, der zum einen steinreich und zum anderen ebenfalls Pazifist war, ein sogenanntes Peace Ship zu chartern und damit nach Europa zu fahren. (Von all dem hatte ich noch nie gehört und war schwer beeindruckt.) Diese Mission scheiterte und Schwimmer bekam viel Häme von der Presse, obwohl sie es sogar schaffte, Friedenskongresse ins Leben zu rufen. Später war sie dann auch mit Albert Einstein befreundet, der sie für den Friedensnobelpreis vorschlug.

Uribe recherchiert viel und beginnt seinen Roman über Schwimmer kurz vor Ausbruch der Pandemie, und die Familie (er, seine Frau Nora und die beiden Kinder), die eigentlich nur für ein Jahr in New York bleiben wollte, muss ihr Leben neu organisieren. Ich bin diesen Planungen, die nicht immer einfach waren, mit Begeisterung gefolgt. Ich lese ja sehr gerne autobiographisches und diese textliche Mischung mit der historischen Pazifistin, gerade heute, wo überall Kriege toben, und den persönlichen Bezügen Noras, Uribes Frau, im zweiten Teil des Buchs, fand ich unglaublich interessant. Es geht dort auch um ihre Herkunft, die Situation des Baskenlandes und um Freundschaft. Vermutlich hätte ich ohne die Anfrage des Verlags zu dem Büchertisch niemals zu dem Buch gegriffen, da das Cover nicht gerade in mein „Beuteschema“ fällt, aber dann wäre mir einiges entgangen. (Ich vermute dass das Rosika Schwimmer ist auf dem Cover, da sie berühmt war für diese Art von bügelloser Brille) Ach und Wassermelonen spielen natürlich auch eine Rolle und den Titel, also das mit den Delfinen, habe ich nun auch nicht erklärt, aber das finden Sie dann alles raus, wenn Sie das Buch selbst lesen. Es lohnt sich!

(Katja Cebulla)

Informationen:
  • Stand: November 2023
  • Berlin Verlag – gebunden – 400 Seiten
  • Preis: 26,- €
  • ISBN: 978-3-8270-1480-1
  • übersetzt aus dem Spanischen von Stefan Kutzenberger
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand