Der Kaiser der Freude
Ocean Vuong („Auf Erden sind wir kurz grandios“) entführt uns in seinem neuen Roman „Der Kaiser der Freude“ nach East Gladness, ein Industriekaff, das viele Gefühle hervorrufen mag, zu denen Freude aber eher selten gehört. Der junge Hai steht auf einer Brücke im strömenden Regen und überlegt, sein Leben zu beenden, wird aber durch das vehemente Eingreifen einer älteren Dame und ihre davonfliegenden Wäsche von seinem Entschluss abgebracht. Eine Begegnung, die vieles in seinem Leben verändert, als die über 80-jährige Grazina dem jungen Mann daraufhin ein Dach über dem Kopf anbietet. Auch Grazina profitiert von der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft, denn nachts suchen sie Erinnerungen heim von ihrer Flucht aus Litauen viele Jahre zuvor. Gemeinsam versuchen sie, auf den eigenen Füßen stehen zu bleiben und einen Alltag zu meistern, der dem American Dream so gar nicht gerecht werden will und doch dem Leben vieler US-Amerikaner entspricht. Dazu gehört der Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden eines Fast-Food-Restaurants, von denen manche eine Liebe fürs Wrestling haben und andere an Echsenmenschen glauben, genauso wie trockene Brötchen gegen schlechte Laune.
Vuong erzählt gewohnt poetisch davon, wie Menschen, denen wenig gegeben ist, trotzdem versuchen, dieses Wenige so angenehm wie möglich zu gestalten – Tag für Tag, Begegnung für Begegnung, weil die Umstände eben nicht allen den Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär erlauben.
(Sarah Kranz)
Informationen:
- Stand: September 2025
- Hanser Verlag – Gebunden – 528 Seiten
- übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl und Anne-Kristin Mittag
- Preis: 27,-
- ISBN: 978-3-446-28274-2