Die Kolonie
Mr Lloyd, Brite und Maler, fährt auf eine Insel vor der irischen Küste. Er fährt nicht irgendwie, er fährt in einem Curragh, einem der kleinen Boote, die bei jeglichem Seegang fürchterlich schaukeln. Mr Lloyd hat Angst und nasse Füße, aber er ist überzeugt: Er muss auf authentischem Weg zur Insel kommen.
Monsieur Masson, Franzose und Sprachwissenschaftler, kommt seit Jahren jeden Sommer auf die Insel, denn auch er sucht nach dem Authentischen: Er will das Irische retten und um das zu tun, muss er die Sprache vor dem Englischen bewahren.
Es wird niemanden überraschen, dass Mr Lloyd, der stille Maler, der zwar nichts Böses will, aber doch die gesamte britische Unterdrückungsgeschichte im Gepäck hat, und Mr Masson, der mit algerischem Hintergrund seinerseits Unterdrückungserfahrungen gemacht hat, sich nicht übermäßig gut verstehen. Zwischen ihnen entspinnt sich ein Streit, der die Grundsätze dessen verhandelt, was beide jeweils für die Wahrheit halten, geprägt durch ihre persönlichen Erfahrungen. Doch auch die Menschen, die seit Generationen auf der Insel leben, sind nicht unbeteiligt. Während die Älteste nur gebrochen Englisch, dafür fließend Irisch spricht und ihre Stimme und Sprache bereitwillig den Tonbändern des Franzosen zur Verfügung stellt, möchte der Jüngste, James, Maler werden und sieht in Mr Lloyd die einmalige Gelegenheit, die Insel und die einzige Zukunft als Fischer zu verlassen.
Mal subtil, mal eindeutig erzählt Magee die Geschichte einer scheinbar abgelegenen Insel, unterbrochen immer wieder von den Geschehnissen auf dem Festland. Dabei ist der Roman nicht nur in seiner Absage an eine einzige, allgemeingültige Wahrheit und seiner intelligenten Verhandlung der Frage nach Authentizität ein kleines Meisterwerk. Magee bindet die Sprache so in ihre Erzählung ein, dass der Text selbst spricht – der Maler sofort als Maler erkennbar, der Sprachwissenschaftler als eben solcher.
Ein einzigartiges Buch, das komplett ohne die Technologien, die viele unserer Leben prägen, viele der Diskurse aufgreift, die uns heute beschäftigen und dabei eine wahre Freude für alle ist, die Texte mögen, die aus sich selbst heraus sprechen.
(Sarah Kranz)
Informationen:
- Stand: Januar 2025
- Nagel und Kimche Verlag – gebunden – 400 Seiten
- übersetzt von Nicole Seifert
- Preis: 24,00 €
- ISBN: 978-3-312-01289-3