Dschinns
Nach mehr als einem halben Leben in Deutschland, das aus wenig mehr als Arbeit zu bestehen schien, kehrt Hüyesin 1999 nach Istanbul zurück, in eine Wohnung, die er von dem hart erarbeiteten Geld gekauft hat.
Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihm: Kaum angekommen, erleidet er einen Herzinfarkt und verstirbt. Seine Ehefrau Emine sowie die vier gemeinsamen Kinder, von denen drei bereits ausgezogen sind, kommen zu seiner Beerdigung in der Türkei zusammen und stellen fest: Sie sind einander fremd geworden.
Da ist Sevda, die älteste, die erst lange nach ihren Eltern nach Deutschland kam und ihre Jugend bei ihren Großeltern verbrachte, früh heiratete und nach ihrer Scheidung alleinerziehend mit zwei Kindern ein eigenes Geschäft aufgebaut hat. Ümit, der jüngste, der nicht nur die Veränderungen der Pubertät, sondern auch seine Unsicherheit bezüglich seiner Sexualität navigieren muss. Hakan, der zweitälteste, der immer unter Druck steht und sich entschließt, die Strecke nach Istanbul mit dem Auto zu bewältigen. Peri, die als erste in ihrer Familie studiert und sich für eine gerechtere Welt einsetzt – dabei aber immer wieder mit der Realität konfrontiert wird. Und schließlich Emine, die auf ihre Kinder oft unnahbar und streng wirkt und besonders mit Sevda immer wieder in Konflikt gerät. Vergangenheit und Gegenwart werden bei diesem Zusammentreff en neu verhandelt und enden in der Frage: Was bedeutet Familie?
Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem es so großartig gelingt, den einzelnen Personen eine jeweils ganz persönliche Stimme zu geben und ihre jeweilige Lebensrealität darzustellen. So fühlt man trotz der großen Unterschiede mit jeder der Figuren mit und stellt immer wieder fest, dass man sich nicht vorschnell ein Urteil bilden sollte.
(Sarah Kranz)
Informationen:
- Stand: April 2022
- Hanser – gebunden – 366 Seiten
- Preis: 24,- €
- ISBN: 978-3-446-26914-9