Dunkelblum

Ein Roman von Eva Menasse

»Die ganze Wahrheit wird, wie der Name schon sagt, von allen Beteiligten gemeinsam gewusst. Deshalb kriegt man sie nachher nie mehr richtig zusammen. Denn von jenen, die ein Stück von ihr besessen haben, sind dann immer gleich ein paar schon tot. Oder sie lügen, oder sie haben ein schlechtes Gedächtnis.«

Dunkelblum ist eine fiktive Stadt im Burgenland im Grenzgebiet zu Ungarn. Wir befinden uns im Jahr 1989 und eben hinter jenen Grenze warten unzählige DDR Bürger darauf, das Land verlassen zu können, während Dunkelblum sich nach Jahrzehnten des Schweigens und Verdrängens, seiner düsteren Geschichte stellen muss, Die Planung eines Museum und einer Ortschronik wirbeln Staub auf und verblasste Erinnerungen werden wieder deutlicher.

War da nicht etwas Schlimmes passiert? Damals in der Nazizeit? Gab es nicht sonderbare unaufgeklärte Morde? Und was war mit den jüdischen Zwangsarbeitern in dieser rauschenden letzten Ballnacht im Schloss der Grafen von Dunkelblum geschehen? Ganz am Ende, kurz bevor die Russen kamen? Es gibt da so Gerüchte, manche wissen etwas, viele eigentlich, wenn man ehrlich ist, die meisten sagen aber nichts. Wer von ihnen war also tatsächlich daran beteiligt? Und als Flocke, die jüngste Tochter vom Bioweinbauer Malnitz und seiner schönen Frau Leonore, die auch verschiedene Leute zur Geschichte befragt hatte, plötzlich verschwindet, auf einer Wiese ein Skelett ausgegraben wird und ein Fremder in Dunkelblum auftaucht und seinerseits Fragen stellt, spitzt sich die Lage zu. Dazu kommt der sogenannte Wasserstreit, bei dem es darum geht, ob der Ort selbst genug Wasser für seine Versorgung speichern kann oder nicht. Aber was wenn nun weiter großflächig auf der Wiese gegraben würde, wie es für den Wasserspeicher nötig wäre? Allein bei dem Gedanken wird diversen Dunkelblumern bereits übel. Ach und DDR Flüchtlinge spielen natürlich auch noch eine Rolle, es werden Schuld und düstere Geheimnisse nach und nach an die Oberfläche gespült und fast alle sind davon betroffen.

528 Seiten dunkelster österreichischer Geschichte, die in angenehmem regionalem Tonfall daherkommen und ein grässliches Verbrechen (denn das Massaker in Rechnitz gab es leider wirklich) behandeln, tun dies auf solch hintersinnige Art aus der Sicht der verschiedenen Personen, die je nach Alter mehr oder weniger in das Ganze verstrickt sind, dass ich ihnen wirklich überaus gerne gefolgt bin. Und das, obwohl so dicke Bücher ja eigentlich nicht unbedingt in mein Beuteschema fallen Die unterschiedlichen Perspektiven geben nach und nach mehr Einblick in das, was man vielleicht „die Wahrheit“ nennen könnte, wobei manches auch unausgesprochen oder nur angedeutet bleibt. Sehr faszinierend! Aber das Buch ist wirklich gut, geschichtlich sehr interessant und sprachlich ein Vergnügen! Trotz des schweren Themas musste ich immer wieder schmunzeln und die Wendung, „na die hat die tiefen Teller sicher nicht erfunden“ die die alte Resi Reschen über ihre Schwiegertochter anbringt, werde ich mit Freuden in meinen Sprachgebrauch aufnehmen. Ein gewichtiges, extrem vielschichtiges Buch, das zeigt, dass die Geschichte nicht einfach abgehakt werden darf.

(Katja Cebulla)

Informationen:
  • Stand: September 2021
  • Kiepenheuer & Witsch Verlag – gebunden – 528 Seiten
  • Preis: 25,- €
  • ISBN: 978-3-462-04790-5
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand