Eine Formalie in Kiew
Der Autor des Romans ist im Jahr 1986 im Alter von 8 Jahren aus Kiew mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Nach 25 Jahren in Deutschland möchte der Ich- Erzähler des Romans die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Kein Problem denkt der Laie, aber da ist die Bürokratie in Form einer deutschen Sachbearbeiterin in Leipzig. Es fehlt eine Apostille: eine Geburtsurkunde mit einer Bestätigung direkt am Geburtsort ausgestellt.
Also auf nach Kiew – mit großen Befürchtungen und guten Ratschlägen der Eltern und Tipps für Bestechungsmöglichkeiten im Kiewer Behördendschungel ausgestattet, macht sich der Erzähler auf nach Kiew. Dort trifft er auf Verwandschaft, alte Schulfreunde und muss sich um die alte Wohnung der Eltern kümmern. Es ist aber auch eine Reise in die Vergangenheit. Überall entdeckt er Dinge, die noch so sind wie vor 25 Jahren und erinnert sich an seine Eltern von damals, die Idole seiner Kindheit. Er sieht aber auch die Veränderungen in Kiew, ein Land, das unter den Kriegsereignissen leidet. Als seine Eltern zum Ende des Romans auch noch in Kiew anreisen, muss er sich dem belasteten Verhältnis zu den Eltern stellen, die immer noch in der Ukraine verwurzelt, und im Gegensatz zu ihm im neuen „Land“ Deutschland nicht angekommen sind. Kapitelmann schreibt in seinem autobiographischen Roman witzig, pointiert, fein beoachtet von zwei Leben in zwei Ländern, die doch zu einer Person gehören. Toller Schreibstil. Es hat mich ein wenig an Sasa Stanisic erinnert.
(Margret Kroll)
Informationen:
- Stand: März 2021
- Hanser Verlag – gebunden – 176 Seiten
- Preis: 20,- €
- ISBN: 978-3-446-26937-8
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