Kangal

Ein Roman von Anna Yeliz Schentke

Anna Yeliz Schentke Kangal, S. Fischer Verlag, Türkei, Istanbul

„Kangal“, das ist der Name, unter dem Dilek sich online kritisch zur Türkei äußert. Sicher fühlt sie sich dort längst nicht mehr, die Ereignisse im Juli 2016 waren zwar nicht auslösend, haben aber ihren Teil dazu beigetragen. Der Roman beginnt mit Dilek im Flugzeug nach Frankfurt, auf der Flucht aus Istanbul, ohne irgendjemandem von ihrer Entscheidung erzählt zu haben – nicht einmal ihrem Freund Tekin. Denn die Bedrohung, vor der Dilek flieht, den Konsequenzen nämlich, wenn herauskäme, wer sich hinter Kangal verbirgt, ist schwer greifbar. Zu keinem Zeitpunkt ist sicher, ob die Gefahr wirklich so akut ist, wie Dilek sie empfindet, oder ob ihre Freund*innen in Istanbul die Situation nicht richtiger einschätzen: Dass Aktivismus zwar fraglos mit großen Risiken verbunden, Dilek derzeit aber noch in Sicherheit ist. Während Tekin in Istanbul bleibt und herauszufinden versucht, ob tatsächlich jemand in einer Befragung Dilek verraten hat, versucht diese, in Frankfurt anzukommen. Sie sucht ihre Cousine Ayla auf, die schon seit ihrer Kindheit in Deutschland lebt und die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch anstatt dadurch ein wenig Sicherheit zu finden, müssen beide schnell feststellen, dass „Türkei“ für sie mit ganz unterschiedlichen Assoziationen verbunden ist.

Obwohl „Kangal“ nur knapp über 200 Seiten lang ist, schafft Schentke es, prägnant und doch differenziert verschiedene Perspektiven auf das Leben in der Türkei, speziell in Istanbul, darzustellen. Ohne erdrückend zu wirken, werden dabei Themen wie Freundschaft und Vertrauen genauso behandelt wie Unterdrückung, Überwachung und die Suche nach Zugehörigkeit in einem Zustand empfundener Heimatlosigkeit.

(Sarah Kranz)

Informationen:
  • Stand: März 2022
  • S. Fischer – gebunden – 208 Seiten
  • Preis: 21,- €
  • ISBN: 978-3-10-397081-4
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