Loyalitäten
Delphine de Vigan ist 1966 in Paris geboren. Seit 2001 veröffentlicht sie Bücher, teilweise unter Pseudonym, ihr Durchbruch gelang ihr dann 2008 mit dem Roman „No und ich“. Das ist auch das einzige, das ich bisher von ihr gelesen hatte, aber sehr gut fand damals.
„Loyalitäten“ ist ein ganz schmales Bändchen, das es aber richtig richtig in sich hat.
Der 12jährige Theo, ein bislang unauffälliger Junge, ein guter Schüler, der wochenweise zwischen seinen geschiedenen Eltern hin- und her pendelt verliert nach und nach den Boden unter den Füßen. Der Vater ist vollkommen hilflos. Arbeitslos, depressiv, medikamentenabhängig gammelt er in seiner Wohnung herum.
Die Mutter ist von Hass auf ihren Examen zerfressen und setzt Theo auf unangenehme Weise unter Druck. Gleichzeitig ist er alles für sie. Theo ist dem nicht mehr gewachsen. Er kann das Gewicht ihrer Liebe und Kontrolle kaum mehr schultern. Aber er muss ja loyal sein. Beiden gegenüber. Er findet einen vermeintlichen Ausweg für sich. Er beginnt zu trinken. Und scheut dabei kein Risiko.
Niemand bemerkt etwas, außer seiner Lehrerin Helène, die aber eben nur die Lehrerin ist und fürchtet ihren Kompetenzbereich zu verlassen, wenn sie sich noch mehr einmischt. Theos Freund Mathis weiß nicht mehr, was er tun soll, er möchte seinen Freund nicht verraten und die Dinge entgleiten.
In unglaublich klarer Sprache schildert Vigan diese unfassbare Situation.
Kurze Kapitel aus der Perspektive der einzelnen Personen erhöhen den Druck auf den Leser und gelegentlich merkt man, dass man eine ganze Weile den Atem angehalten hat. Ein hartes Buch. Denn wie lange darf man schweigen, um jemand zu schützen. Vermeintlich zu schützen. Ein Appell gegen das Wegsehen und Schönreden.
(Katja Cebulla und Sarah Wald)
Informationen:
- Stand: November 2018
- Dumont Verlag – gebunden– 176 Seiten
- Preis: 20,- €
- ISBN: 978-3-8321-8359-2