Macht

Ein Roman von Heidi Furre

Heidi Furre ist Norwegerin, sie ist 1985 geboren, arbeitet als Fotografin und lebt in Oslo. Sie hat bereits mehrere Romane veröffentlicht, aber „Macht“ ist der erste, der auf deutsch erscheint.

Liv wurde vor Jahren vergewaltigt und hat nie mit jemandem darüber gesprochen. Sie hat versucht ein „normales“ Leben mit Mann und Kindern zu führen und zu funktionieren, jahrelang.

„Eine Vergewaltigung war klein, sie passte genau in meinen Körper. Ich würde es aushalten, es mit aller Macht hinkriegen, weiterlaufen. Mit aller Macht und aller Macht und aller Macht.“

Als sie nun bei ihrer Arbeit im Pflegeheim mit einer Patientin zu tun hat, deren Bruder unter Vergewaltigungsvorwürfen stand, löst dies vermehrte Erinnerungsschübe aus und es wird ihr klar, wie wenig ihr das „Funktionieren“ eigentlich wirklich gelang bisher und wie tief das Geschehene auch noch in ihr heutiges Leben eingreift. Dunkle Wege, einsame Orte – Situationen, die stets zu meiden waren, so wie es ihr auch unmöglich war in ein Haus zu ziehen, das einen langen einsamen Weg von der Bushaltestelle nach Hause bedeutet hätte. Nun beschließt sie sich diesem lang vergrabenen Schmerz entgegenzustellen, die „Sache“ aufzuarbeiten, möglicherweise den Täter zu konfrontieren, um sich all das im wahrsten Sinne des Wortes vom Leib zu schaffen, da sie eins auf keinen Fall sein möchte, ein Opfer.

„Wenn ich mich heranschleiche, muss ich kein Opfer sein. Dieses kleine bisschen Macht habe ich, ich kann es aussprechen, wann immer ich will.“

Heidi Furres Buch „Macht“ ist kein ganz leichtes Buch, das legt schon das Thema nahe, aber wie die Autorin damit umgeht, ist faszinierend und so war es ein Buch ziemlich genau nach meinem Geschmack. Liv ist so eine interessante Person mit sehr eigenen Gedanken, die zwischen Scham und Wut hin und her pendeln – sehr sehr eindrucksvoll! Ausgehend von den Begegnungen mit diesem Sohn der Patientin, beginnt sie ihr Leben nach und nach zu hinterfragen und macht ziemlich kluge Beobachtungen. Wie sie z.B. ganz allgemeine Machtsituationen ihres Lebens durchleuchtet, es gibt sie nämlich überall; von Eltern zu Lehrern, von Wohlhabenden zu Bedürftigen, von schön zu weniger schön, immer ist die Macht greifbar, und so nach und nach wird sie sich dessen bewusst.

Da sie in einer ganz klaren, fast nüchternen Sprache erzählt, wirkt der assoziativ in relativ kurzen Abschnitten zusammengefügte Text sehr eindringlich und gut nachvollziehbar. Was ich auch sehr mochte an diesem Buch sind die Bezüge zur Kunst; Marina Abramović wird erwähnt und Niki de Saint Phalle, deren Tarotgarten sie mit ihrer Freundin besucht, spielt eine größerer Rolle. Das gefiel mir so gut, wie es ihr gelingt sich sich aus der Situation zu retten, durch Freundschaft und Kunst.

Und wenn 176 Seiten in übersichtlichen Abschnitten, recht luftig gesetzt, mehrere Tage ausreichen, ist klar, dass es sich um etwas Gutes, Gehaltvolles handelt etwas das arbeitet und wirkt beim Lesen und danach. Ach und besonders schön gestaltet ist das Buch auch noch. Sehr toll!

(Katja Cebulla)

Leseprobe

Informationen:
  • Stand: April 2023
  • Dumont Verlag – gebunden – 176 Seiten
  • Preis: 22,- €
  • ISBN: 978-3-8321-8222-9
  • aus dem Norwegischen von Karoline Hippe
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand