Mattanza
Wer bei unserer Lesezeit im Frühjahr war, erinnert sich vielleicht noch, dass ich so meine Probleme hatte, Titel zu finden, die mich wirklich begeisterten. Als dann die ersten Leseexemplare für den Herbst kamen und ich Germana Fabianos „Mattanza“ in den Händen hielt, wusste ich, im Herbst würde das anders sein.
Eine kleine Insel in der Nähe Siziliens: Hier befindet sich ein Dorf, das vom Thunfisch lebt und dessen Leben vom Thunfischfang bestimmt wird, und hier lebt auch der alternde Raìs, Oberhaupt der Gemeinschaft.
Der nächste Raìs muss, so will es die Legende, wieder ein Mann aus seiner Familie sein, und so liegt alle Hoffnung auf dem Enkelkind, dessen Geburt stündlich erwartet wird.
„‚Herzlichen Glückwunsch‘, sagte Don Nicola mit einem Blick durch den Raum, der demjenigen, der ihm zu widersprechen wagte, alles Unglück der Welt verhieß.
Fabiano, Mattanza
‚Herzlichen Glückwunsch‘, wiederholte er noch einmal feierlich, ‚auch wenn es ein Mädchen ist.'“
Germana Fabianos „Mattanza“ erzählt die Geschichte des letzten Raìs, der – anders als in der Realität – hier kein Mann ist, sondern ein Mädchen namens Nora, das aufgrund einer unkonventionellen Entscheidung ihres Großvaters in die Aufgaben des Raìs eingeführt wird. Die alljährliche Mattanza (dt. Blutbad/Abschlachten), der Thunfischfang nach einem ausgeklügelten System, der den Fischern sowohl körperlich als auch psychisch einiges abverlangt, soll und wird eines Tages von ihr angeführt werden.
„Mattanza“ erzählt jedoch nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Leben einer Tradition unterwerfen muss, für die eigentlich ein Mann vorgesehen war, sondern auch die der Dorfbewohner*innen und vom Leben auf einer Insel, die trotz ihrer geografischen Isolation langsam, aber sicher die Auswirkungen einer globalisierten Welt zu spüren bekommt.
All das schafft Fabiano auf nur 192 Seiten in einem Roman darzustellen, der mal zum Schmunzeln einlädt, mal innehalten lässt und noch lange nachwirkt. Hervorragend übersetzt haben Barbara Neeb und Katharina Schmidt, denn den Rhythmus der italienischen Sprache, der Teil der so besonderen Stimmung des Romans ist, ins Deutsche zu übertragen, ist schon eine Leistung.
Informationen:
- Stand: September 2023
- Mare Verlag – gebunden – 192 Seiten
- Preis: 23,- €
- ISBN: 978-3-86648-670-6
- aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Neeb und Katharina Schmidt