Mattanza

Ein Roman von Germana Fabiano

Ach, Mattanza, Mattanza.. Dieses Buch. Kaufen Sie das bitte mal. Stellen Sie sich vor, Sie haben schon unwahrscheinlich viel gelesen in diesem Jahr, wenig hat Sie so richtig umgehauen, und dann kommt, glücklicherweise schon Mitte des Jahres, so ein kleines schmales Bändchen um die Ecke und alles wird gut. So war das bei mir mit Mattanza. Und ich kann Ihnen nicht mal sagen, wieso ich zu diesem Buch gegriffen habe, vielleicht, weil ich gerade nicht wusste, was ich als nächstes lesen soll, vielleicht, weil ich bei Büchern aus dem mare Verlag eine relativ hohe Trefferquote habe. Denn ich persönlich finde das Cover jetzt nicht sooo ansprechend und Thunfischfang ist normalerweise auch nicht mein Traumthema. Darum geht es aber zu großen Teilen.

Eine kleine Insel in der Nähe Siziliens: Hier befindet sich ein Dorf, das vom Thunfisch lebt und dessen Leben vom Thunfischfang bestimmt wird, und hier lebt auch der alternde Raìs, Oberhaupt der Gemeinschaft. Der nächste Raìs muss, so will es die Legende, wieder ein Mann aus seiner Familie sein, und so liegt alle Hoffnung auf dem Enkelkind, dessen Geburt stündlich erwartet wird.

„‚Herzlichen Glückwunsch‘, sagte Don Nicola mit einem Blick durch den Raum, der demjenigen, der ihm zu widersprechen wagte, alles Unglück der Welt verhieß.
‚Herzlichen Glückwunsch‘, wiederholte er noch einmal feierlich, ‚auch wenn es ein Mädchen ist.'“

Fabiano, Mattanza

„Mattanza“ ist ein Roman, der von einer ganz bestimmten Sprache lebt und bei dem vieles mit einem feinen Humor unterlegt ist, der nicht zuletzt aus den Dorfbewohnern und ihren Eigenheiten entsteht. Germana Fabianos „Mattanza“ erzählt die Geschichte des letzten Raìs, der – anders als in der Realität – hier kein Mann ist, sondern ein Mädchen namens Nora, das aufgrund einer unkonventionellen Entscheidung ihres Großvaters in die Aufgaben des Raìs eingeführt wird. Es ist nämlich nicht so, wie der Klappentext vermuten lässt, dass man auf den nächsten 190 Seiten darüber liest, wie das Dorf auf Nora herabschaut und sie sich wieder und wieder beweisen muss. Stattdessen findet sich zunächst der Rais schnell damit ab, dass es nun wohl keinen männlichen Nachfolger geben wird, und Nora den Job genauso gut übernehmen kann, und die Dorfgemeinschaft folgt. Die alljährliche Mattanza (dt. Blutbad/Abschlachten), der Thunfischfang nach einem ausgeklügelten System, der den Fischern sowohl körperlich als auch psychisch einiges abverlangt, soll und wird eines Tages von Nora angeführt werden.

„Mattanza“ erzählt jedoch nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Leben einer Tradition unterwerfen muss, für die eigentlich ein Mann vorgesehen war, sondern auch die der Dorfbewohner*innen und vom Leben auf einer Insel, die trotz ihrer geografischen Isolation langsam, aber sicher die Auswirkungen einer globalisierten Welt zu spüren bekommt. Die Schwierigkeiten, mit denen Nora zu kämpfen hat, haben somit weniger damit zu tun, dass sie kein Mann ist, sondern vielmehr mit dem Wandel der Welt, der auch für die Lesenden die Blase des romantisierten, rauen Insellebens früher oder später zum Platzen bringt.

All das schafft Fabiano auf nur 192 Seiten in einem Roman darzustellen, der mal zum Schmunzeln einlädt, mal innehalten lässt und noch lange nachwirkt. Hervorragend übersetzt haben Barbara Neeb und Katharina Schmidt, denn den Rhythmus der italienischen Sprache, der Teil der so besonderen Stimmung des Romans ist, ins Deutsche zu übertragen, ist schon eine Leistung.

(Sarah Kranz)

Informationen:
  • Stand: November 2023
  • Mare Verlag – gebunden – 192 Seiten
  • Preis: 23,- €
  • ISBN: 978-3-86648-670-6
  • aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Neeb und Katharina Schmidt
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand