Morgen, morgen und wieder morgen

Ein Jugendbuch und Roman von Gabrielle Zevin

Ich habe lange überlegt, wie ich Ihnen dieses Buch vorstelle, denn ich glaube, viele von Ihnen werden nicht ganz vorurteilsfrei an das Thema herangehen. Vielleicht beschränkt es sich nur auf ein „Hm, nee, das ist kein Thema für mich“ oder geht sogar an ein „Nein, nein, also das ist eine fürchterliche Art, seine Zeit zu verbringen.“ In erstere Kategorie fielen viele der Leser*innen und lassen Sie mich schon einmal sagen, dass fast alle angenehm überrascht waren. Frau Cebulla zum Beispiel.

Früher im Deutschunterricht hat eine meiner Lehrerinnen mal gesagt, wir sollten in einer Einleitung das Thema erst abstrakt benennen und dann konkret, das werde ich jetzt auch tun – ich werde Sie erst fürchterlich neugierig machen und dann verraten, worum es konkret geht.
„Morgen, morgen und wieder morgen“ handelt zu großen Teilen von der Freundschaft zwischen Sam und Sadie. Die beiden kennen sich bereits seit ihrer Kindheit, wo sie im Spielzimmer des Krankenhauses aufeinandertrafen – Sam musste wegen einer komplizierten Fußverletzung längere Zeit im Krankenhaus bleiben und Sadie war dort, weil ihre Schwester dort behandelt wurde. Aufgrund gemeinsamer Interessen schließen die beiden schnell Freundschaft und sehen sich eine zeitlang sehr oft, bis etwas passiert, was aus kindlicher Sicht beinahe an Hochverrat grenzt und die zwei sich aus den Augen verlieren. In den 90ern treffen sie an einer Bahnstation erneut aufeinander, beide studieren inzwischen. Sam zögert, ob er Sadie ansprechen soll, denn Sadie wirkt auf ihn fürchterlich cool – und er selbst eher nicht. Er tut es dann aber doch und erwecken die Freundschaft zu neuem Leben. Es folgt der Entschluss, die Semesterferien zu nutzen, um mit der Unterstützung von Sams Mitbewohner und Freund Marx an einem gemeinsamen, potentiell großen Projekt zu arbeiten – mit Erfolg. Doch wie das manchmal so ist, hat Erfolg auch seine Schattenseiten und so wird ihre Freundschaft mehrfach auf die Probe gestellt.

„Morgen, morgen und wieder morgen“ ist ein Buch in dem es sehr viel um Freundschaft geht, ein bisschen um Liebe, jaaa, um Rivalität und Ehrgeiz, aber auch um Fragen nach sozialer Herkunft und wie sich die persönlichen Umstände auf Entscheidungen wie die zwischen Profit und Kunst auswirkt. Gleichzeitig geht es immer wieder darum, etwas zu wagen und somit auch ums Scheitern. Die Geschichte ist spannend und mitreißend, manchmal macht sie traurig und wütend, dann wiederum ist sie wirklich herzerwärmend. „Ganz großes Kino“ könnte man beinahe sagen, und tatsächlich war das Buch in den USA ein dermaßen großer Hit, dass die Verfilmung schon sicher ist.

So. Und das konkrete Thema, mit dem Sadie, Marx und Sam sich beschäftigen, sind Videospiele. Wer jetzt sagt, „uuh, Videospiele“, dem möchte ich die Worte der Autorin ans Herz legen, die bei ihrer Lesung in Hamburg in etwa Folgendes sagte: In (fast) allen Rezensionen zu ihrem Buch habe bisher gestanden, dass die Rezensierenden ja selber gar keine Videospiele spielen würden, mit dem Thema gar nichts am Hut hätten und deshalb erst sehr skeptisch gewesen wären. Ginge es aber um ein anderes Thema, wie zum Beispiel den Ersten Weltkrieg, habe noch nie jemand geschrieben, „zu dem Thema hatte ich nun keinen Zugang, weil ich nicht selbst im Ersten Weltkrieg gedient habe.“ Nur weil Sie also bisher nie Videospiele gespielt haben und den Eindruck hatten, Ihre Kinder/Enkel/Nichten/Neffen würden bloß stumpf ihre Zeit verplempern, sollten Sie sich nicht davon abhalten lassen, dieses Buch zu lesen. Denn wenn Sie es tun, werden Sie lernen, wieviel Arbeit in die Entwicklung eines solchen Spiels geht, wie Ungleichheiten in der realen Welt in Videospielwelten überwunden werden können, dass viele dieser Spiele eine ganz Menge Intelligenz erfordern, um ans Ziel zu kommen, und dass auch etwas wie ein Videospiel durchaus eine Kunstform sein kann.

(Sarah Kranz)

(Wer sich schon mal einstimmen möchte, klicke hier. Frau Cebulla ist beglückt.)

Informationen:
  • Stand: April 2023
  • Eichborn Verlag – 560 Seiten – gebunden
  • Preis: 25,- €
  • ISBN: 978-3-8479-0129-7
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand