Nachtjagd

Ein Krimi von Jan-Erik Fjell

Ein Krimi! Ein norwegischer Krimi! In Norwegen ist Jan-Erik Fjell wohl bereits so etwas wie eine Institution, die uns aber bisher vorenthalten wurde – ich weiß nicht, ob Sie schon mal versucht haben, von Deutschland aus an norwegische Bücher zu kommen, aber es ist nicht leicht und vor allem sehr teuer. Umso besser, das Goldmann Fjell jetzt übersetzt hat, und wenn Sie alle brav „Nachtjagd“ kaufen, darf ich seine anderen Bücher vielleicht in Zukunft wenigstens in deutscher Übersetzung lesen.

„Nachtjagd“ hat eine relativ komplexe Handlung, aber! Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass viele von Ihnen sich von Worten wie „komplex“ oder „Handlungstränge“ in der Mehrzahl abschrecken lassen, möchte ich hier gleich festhalten: Das Buch liest sich sehr leichtgängig und flüssig. Falls Sie sich Notizen machen, notieren Sie das. Leichtgängig und flüssig und vor allem spannend. Besonders denjenigen unter Ihnen, die gerne miträtseln und nicht gleich zu Anfang erraten möchten, wer denn jetzt was angestellt hat, wird dieser Krimi gefallen. Ermittler sind Anton Brekke, der bereits in anderen Fällen ermittelt hat und in „Nachtjagd“ zu Anfang von etwas geplagt wird, was man wohl oder übel als Männerproblem einordnen muss – er geht aber auch sehr männlich damit um – und Magnus Torp, der neu bei der Kripo Oslo ist. Zusammen ergeben beide ein sehr unterhaltsames Duo. Der Fall, mit dem sie konfrontiert werden, ist allerdings wenig unterhaltsam und kommt ihnen im Gegenteil unangenehm bekannt und beinahe klar vor: Eine Frau wird brutal vergewaltigt und ermordet aufgefunden, auf eine Art und Weise, die ganz eindeutig in das Schema eines gesuchten Serienmörders passt. Besagter Serienmörder war bereits vor einigen Jahren festgenommen worden, konnte bei einem Gefangenentransport aber fliehen . Verbunden ist all das mit den eingangs erwähnten weiteren Handlungssträngen: Zum einen haben wir einen Mann, der in Texas im Gefängnis sitzt und keine Stunde bis zur Vollstreckung seiner Todesstrafe mehr hat, als er beschließt, dem zuständigen Pfarrer seine Geschichte zu erzählen. Dann gibt es, ebenfalls in den USA, einen CIA-Agenten, bei dem ein Einsatz fürchterlich aus dem Ruder läuft. Und schließlich ist da diese junge Angestellte auf dem Hurtigruten-Schiff, die sich in einer nicht ganz klaren Beziehung zu einem verschlossenen amerikanischen Passagier befindet…

Bei der letzten Lesezeit habe ich den Fehler begangen und von einem relativ dicken Buch behauptet, man würde es in einem Nachmittag weglesen können – das hat mich noch eine Zeit verfolgt. Ich möchte meine Aussage nun anpassen: Wenn jemand ein Nachmittagsbuch sucht, ein Buch also, von dem man sich zumindest wünscht, es in einem Nachmittag weglesen zu können, der nehme dieses. Ich lasse mich leicht ablenken, aber dadurch, dass das Buch ziemlich kurze Kapitel hat und ich immer wieder dachte, ach komm, eins kannst du noch, war es dann schon ziemlich spät, als ich endlich auf die Uhr guckte. Außerdem dachte ich mehrfach, ich hätte die Handlung und die Zusammenhänge durchschaut, um dann doch wieder überrascht zu werden. Mehr sage ich an dieser Stelle nicht, aber: Hier haben wir einen richtig guten Thriller.

(Sarah Kranz)

Informationen:
  • Stand: April 2023
  • Goldmann Verlag – 512 Seiten – Paperback
  • Preis: 16,- €
  • ISBN: 978-3-442-20648-3
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand