Wünschen

Ein Roman von Chukwuebuka Ibeh

Ich mochte diesen Roman sehr, so sehr sogar, dass ich der Vertreterin geschrieben habe, ob wir die Exemplare bitte, bitte irgendwie vor dem offiziellen Erscheinungstermin vier Tage nach der Lesezeit bekommen können. Sie sagte mehr oder weniger, dass sie keine Wunder vollbringen könne, aber ihr Möglichstes tun werde, und das war genug, Sie konnten das Buch schon zur Lesezeit kaufen (und danach, wenn Sie das hier lesen, natürlich auch noch).

Obwohl ich das Buch von Chukwuebuka Ibeh so gerne mochte, wusste ich lange nicht, wie ich es vorstellen soll. Also habe ich mir einen 16-minütigen TED Talk angeschaut, den er gehalten hat, was sehr interessant war und den ich allen, die Englisch verstehen, empfehlen würde, aber hauptsächlich dazu geführt hat, dass es noch später war und ich immer noch nichts zum Buch geschrieben hatte.

Es kommt jetzt also ein Versuch. (Berühmtere Menschen als ich nennen das Ganze dann Essay und verdienen Geld damit.) Der Roman „Wünschen“, übersetzt von Cornelius Reiber, handelt zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben eines jungen homosexuellen Mannes, der in den 2010ern in Nigeria aufwächst. Die erdrückende Mehrheit der in Nigeria lebenden Menschen sieht Homosexualität als inakzeptable Lebensform, von LGTBQ Rechten kann kaum die Rede sein: Bis zu 16 Jahre Gefängnis drohen, in einigen Gebieten gilt Tod durch Steinigung als angemessene Bestrafung, aber auch oder gerade Gewalt durch Mitmenschen ist ein großes Problem. Weiß man diese Dinge, überrascht es kaum, dass der Protagonist Obiefuna kein besonders positives Selbstwertgefühl hat, und auch wenn sich seine erste Konfrontation mit den gesellschaftlichen Zuständen zunächst auf sehr kleinem Raum abspielt, wird die Ablehnung doch sehr deutlich. Ein einziger, etwas zu lange andauernder Blick zwischen ihm und dem neuen Angestellten seines Vaters, ein Abstand zwischen zwei Menschen, der nur ein bisschen zu gering ausfällt, der Vater, der in diesem unpassenden Moment das Zimmer betritt: Obiefuna wird in ein christliches Internat geschickt, indem es strikte Richtlinien und Hierarchien gibt, die im Zweifel mit Gewalt durchgesetzt werden.

Das klingt jetzt fürchterlich düster und ja, fröhlich ist diese Geschichte auch nur in Momenten. Aber ich möchte so viel verraten, dass Obiefuna es trotzdem schafft, sich zu akzeptieren und einen Weg zu finden. „Wünschen“ ist kein Coming Out Roman, wie man ihn inzwischen in Deutschland finden kann: Obiefuna und viele derer, die er kennenlernt, sehen sich nicht nur mit der Ablehnung vonseiten der Familie konfrontiert, sondern der einer ganzen Gesellschaft. Trotzdem ist es ein sehr feinfühlig reflektierter Roman: Seine Mutter spielt eine große Rolle, die ihn bedingungslos akzeptiert versucht, ihn trotz ihres fehlenden Einfluss in der heute sehr patriarchal geprägten nigerianischen Gesellschaft zu schützen, aber auch die Motive seines Vaters werden zumindest etwas klarer gemacht. Auch die Frage, welchen Einfluss westliche Entwicklungen wie die damalige Legalisierung der Ehe homosexueller Paare in den USA auf die Gesetzeslage in Nigeria hatte, wird angeschnitten.

Dass Ibeh selbst erst 24 Jahre alt ist und „Wünschen“ sein Debütroman, macht dieses Buch nur umso beeindruckender – ein wirklich empfehlenswerter Roman.

(Sarah Kranz)

Informationen:
  • Stand: April 2024
  • Fischer Verlag – Gebunden – 320 Seiten
  • Preis: 24,- €
  • ISBN: 978-3-10-397598-7
Bücherwurm der Buchhandlung am Sand